Frauen mit Stilettos und Brustkrebs

Frauen mit Stilettos und Brustkrebs

Selten hat eine Serie so bewegt wie die Geschichte um die vier New Yorker Karrierefrauen Carrie, Mi-randa, Samantha und Charlotte. Im deutschsprachigen Raum schalteten sich im Durchschnitt drei Millionen Zuschauer zu. Die Sendung hat fasziniert und polarisiert. Der besondere Reiz der Frauenserie: Die Protagonistinnen haben einen Job und eigene Kreditkarten und sind trotzdem nicht verhärmt, sie sind so ambitiös wie sexy und sie sprechen so über Männer, wie die aufgeschlossene Frau es gerne tut oder zumindest gerne täte. «Sex and the City» kombiniert Glamour und Selbstbewusstsein mit Alltagssorgen und Selbstzweifeln. Neben Sex und Stilettos ist auch Krebs ein Thema, bieder, miefig oder deprimierend wird die Sendung aber auch bei sensiblen Themen nie.

Der Erfolg zeigt nicht zuletzt, dass viel Potenzial da ist. Das Publikum ist offenbar gerne bereit, ein Frauenbild zu akzeptieren, an das sich die TV-Macher bisher wenig gewagt haben – ein modernes nämlich. (mz)

Schön, aber nicht schön blöd Kim Cattrall, Cynthia Nixon, Sarah Jessica Parker und Kristin Davis (v. l.). keystone

Suzanna Vock, Creative Director Gwand Fashion Concepts

«Die Serie ist für mich ganz klar ein Spiegel des heutigen Zeitgeistes. Da sind gut gekleidete, gut aussehende und erfolgreiche Frauen, die in jeder Beziehung ungehemmt dem Luxus frönen. Wer möchte das nicht? Gerade in Zeiten wie heute. Doch letztlich ist es eine Traumwelt, die sich alle wünschen, aber kaum je erreichen werden. Deshalb wohl hat diese Serie auch diesen Kultstatus erhalten.

Obwohl ich nicht zu den Dauergu-ckerinnen der Serie gehöre, denn ich besitze nicht mal einen Fernseher, habe ich natürlich viel darüber gehört und auch gelesen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie grossen Einfluss auf das Leben der heutigen jungen Frauen hat. Es zeigt zum Beispiel, dass viele Menschen nach Orientierung lechzen, gerade in Stil- und Modefragen geführt werden wollen. In dieser Serie finden sie, anders als in den Hochglanzmagazinen, personifizierte Vorbilder, die einen bestimmten Charakter darstellen. Denn im Gegensatz zu früher werden heute die Modetrends immer schneller voneinander abgelöst, viele finden sich darin nicht mehr zurecht.

Mich als Modefrau freut es einerseits, dass der Design-Mode so viel Bedeutung eingeräumt wird. Man hätte aber ruhig einige Jüngere pushen können. Andererseits bedaure ich aber auch, dass die Mode ziemlich oberflächlich abgehandelt wird. Mode hat für mich mehr mit Tiefsinn zu tun, als immer das neueste Kleid des angesagtesten Designers zu kaufen.

Gewisse Aspekte haben mich aber auch abgestossen. Zum Beispiel, dass darin immer alles nach aussen gekehrt und gern auf das Sexualleben reduziert wird. Als ob sich die Frauen allein darüber definieren müssten und nicht auch sonst selbstbewusst genug wären!» (sc)

Doris Stump, Politikerin

«Nach einem kurzen Blick in eine der Sendungen beschloss ich, dass sie für mich weder unterhaltsam noch lehrreich war. Ich schaue wenig fern, und amerikanische Soaps ertrage ich schlecht, weil sie so schrill sind. Dennoch glaube ich, dass die Serie einen Einfluss auf das Leben von Frauen haben kann. Ich bin überzeugt, dass neue Frauenbilder in TV-Sendungen, wie z. B. die unterschiedlichen Frauen in «Lüthi & Blanc» oder auch diese vier Frauen, zu einem selbstbewussteren Auftreten der Frauen beitragen können. Von einem neuen Feminismus würde ich nicht sprechen. Ich freue mich, dass heute Frauen ihre Rechte einfordern – in allen Lebensbereichen. Wichtig ist, dass sie frei entscheiden können, welche Lebensform ihnen entspricht.» (sc)

Eliane Schweitzer, Sexberaterin

«Ich habe ‹Sex and the City› selber leider nie gesehen – aber sehr viel darüber gehört und gelesen. Die Kultserie zeigt freche, moderne und urbane Frauen, die sich ihre erotischen Erfahrungen bis ins letzte Detail berichten, was sicher mit zum Erfolg der Sendung beiträgt.

Dass Freundinnen einander die Vorzüge oder Nachteile ihrer Liebhaber bis ins anatomische Detail schildern, ist aber nicht neu. Meine Freundinnen und ich taten es in den 60er-Jahren – und wir waren garantiert nicht die Einzigen. Mancher Mann könnte nicht mehr schlafen, wenn er wüsste, was in seinem weiblichen Bekanntenkreis alles über seine sexuellen Vorlieben und die Beschaffenheit seines Geschlechtsorgans bekannt ist. Männer reden ganz anders über Frauen. Sie bluffen vielleicht, mit wem sie schon im Bett waren, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dabei so in die Details gehen wie wir Frauen. Das kann man ja auch in der Pornografie beobachten: Von Frauen verfasste Texte sind oft sogar viel versauter. Im Unterschied zu früher wird dies heute aber öffentlich. Eine viel breitere Frauenschicht tritt sexuell aggressiv auf. Ich finde schon lässig, dass man dazu stehen kann.

Die Frauen zwischen 30 und 40 sind wirklich gut drauf. Zumindest geben sie sich so, das heisst natürlich nicht, dass man sexuell dann auch wirklich so fordernd ist. Im Bett läuft die Sache meist feiner ab. Das ist nicht nur bei Männern so. Auch wir verdecken manchmal Gefühle und bemühen uns, nicht zu zeigen, dass uns etwas berührt hat. Zudem ist es ja nicht so, dass man alles, was man cool findet, auch wirklich praktiziert.» (sum)

Mona Vetsch, Moderatorin

«Ich bin keine typische TV-Serien-Frau, aber bei ‹Sex and the City› bin ich immer hängen geblieben. Für mich ist es amüsant und intelligent gemachte Unterhaltung. Primitiv genug, dass nicht nur der Intellekt, sondern auch das Herz berührt wird. Ich bin im unheimlich heimlichen Miranda-Fanclub. Ihr spröder, trockener Witz gefällt mir. Die Serie hat mein Leben und mein Frausein aber nicht verändert. Das wäre ein Armutszeugnis für mich. Frauen haben ohnehin schon immer über Sex gesprochen. In der Serie wurde dies nur erstmals öffentlich thematisiert. Auch mein Kleiderstil ist unangetastet geblieben. Ich weiss jetzt aber, was Manolo Blahnik ist: extrem schöne und extrem unbequeme Schuhe, die ich mir nicht leisten kann.»