Schuld sind vor allem die andern

Schuld sind vor allem die andern

Genau heute vor vier Jahren, am 26. November 2000, wurde die erste Aargauer Regierungsrätin, Stéphanie Mörikofer-Zwez, abgewählt. In einem ausführlichen Interview mit der Publizistin Esther Girsberger blickt sie zurück – und rechnet ab.

Balz bruder

Dass das Buch «Abgewählt – Frauen an der Macht leben gefährlich» just ein paar Tage vor den Aargauer Regierungsratswahlen erschienen ist und seit Mitte Woche in den Buchhandlungen aufliegt, mag ein Zufall sein. Ganz sicher nicht zufällig ist jedoch die Art und Weise, wie die habilitierte Biochemikerin Stéphanie Mörikofer (61) auf ihre Abwahl vor vier Jahren zurückblickt. Die heute als Präsidentin des Spitex Verbandes Schweiz amtierende Ex-Regierungsrätin, die von 1993 bis 1999 dem Gesundheits- und von 1999 bis 2001 dem Finanzdepartement vorstand, sieht im Rückblick einige Dinge glasklar – einiges aber auch etwas verklärt. Ein starker Abgang, der gleichzeitig ein schwacher ist.

Sie konnte einfach nicht anders

Zunächst: «Ich hatte das Glück, meine Amtszeit in einem Kollegium zu verbringen, das auf einem sehr hohen intellektuellen Niveau funktioniert hat», sagt Mörikofer. Was «nicht unbedingt selbstverständlich sei», ihre Arbeit aber «sehr erleichtert» habe. Nur: Die Abwahl konnte auch das Kollegium nicht verhindern: «Vielmehr gab es viele Leute im Grossen Rat, die es nicht ertragen konnten, dass ich so hartnäckig bin.» Und: «Im Grunde genommen ist die erste Generation von Regierungsrätinnen wegen Eigenschaften gewählt worden, aufgrund deren sie nachher häufig wieder abgewählt worden sind – Durchsetzungsfähigkeit, Hartnäckigkeit, Intelligenz und Sachkundigkeit.» Wobei aus dem Interview deutlich hervorgeht, dass Mörikofer auch den Fall Stiftung Egliswil, der vor der Wahl für heftige politische Eruptionen gesorgt hatte, unter diesen Stichworten subsumiert. Jedenfalls sagt sie: «Ich konnte nicht anders, weil ich es sonst nicht hätte verantworten können.»

Der Fall Egliswil als Vehikel

Dass der Fall – nicht von ihrem Departement – nicht gut geführt wurde und sie ihre Regierungskollegen «nicht in die Pfanne hauen konnte und wollte», verschweigt Mörikofer dabei nicht. Doch das ist nicht alles: «Hinzu kam, dass die Leute, die mich ohnehin weg haben wollten, diesen Fall als Vehikel nutzten.» Und dies sei «mithilfe der Aargauer Zeitung» geschehen. Eine Ausage, welche nicht von ungefähr die frühere «Tages-Anzeiger»-Chefredaktorin Esther Girsberger mit der Frage auf den Plan ruft, die insinuiert, der freisinnige Verleger Peter Wanner habe sich «gegen eine Freisinnige eingeschossen». Und Mörikofer damit die Gelegenheit zur Aussage bietet: «Meines Erachtens ist die einzige einigermassen einleuchtende Erklärung, dass Peter Wanner unbedingt Rainer Huber im Regierungsrat haben wollte und in Kauf nahm, dass in der Majorzwahl nicht Rainer Hubers direkter Parteikonkurrent, sondern jemand anders auf der Strecke blieb.»

Kein weiblicher Kohlhaas werden

Wobei es Mörikofer, die mit Blick auf die mediale Situation vor den Regierungsratswahlen 2000 die eine oder andere offene Rechnung zu begleichen gewillt scheint, dabei nicht bewenden lässt. Auf die Frage, ob sie die Wiederwahl «ohne die negative Berichterstattung der Aargauer Monopolzeitung» geschafft hätte, führt Mörikofer aus: «Mir fehlten rund 2500 Stimmen. Das ist nicht viel. Wenn die Aargauer Zeitung nicht so massiv gegen mich vorgegangen wäre, hätte ich es wahrscheinlich wieder geschafft.» Mit Verleger Peter Wanner habe sie allerdings seither nicht mehr gesprochen: «Ich hatte und habe einfach keine Lust dazu.» Und: «An der Situation konnte ich nichts mehr ändern, und ich wollte auch nicht zum weiblichen Kohlhaas werden.»

Vor der eigenen Tür wischen

Auch wenn die ehemalige Regierungsrätin betont, sie gehöre «zur glücklichen Sorte Menschen, die solche Ereignisse irgendwann ruhen lassen können»: Stéphanie Mörikofer wendet rückblickend viel Energie auf, um der Aargauer Zeitung die Schuld für die Nichtwiederwahl in die Schuhe zu schieben. «Völlig deplatziert und an den Haaren herbeigezogen», findet Verleger Peter Wanner. «Erstens war ich vor vier Jahren zwar für Rainer Huber, aber nicht gegen Stéphanie Mörikofer. Zweitens ist sie für die Niederlage am 26. November 2000 selber verantwortlich und täte gut daran, vor der eigenen Tür zu wischen.» Mit anderen Worten: Nicht die Aargauer Zeitung könne verantwortlich gemacht werden für die Mörikofer-Abwahl, findet Wanner. Vielmehr habe es sich Mörikofer selber zuzuschreiben, dass es nicht mehr gereicht habe. Und erinnert daran, dass Mörikofer schon früher nie einen Sympathie-Bonus hatte. Mit der Folge unter anderem, dass sie es auch vor vier Jahren nicht schaffte, gleichsam vor der eigenen Haustür im Fricktal jenen Boden für die Wiederwahl zu legen, der nötig gewesen wäre, um die Terrainverluste andernorts auszugleichen. Doch davon ist im Girsberger-Interview nichts zu lesen. Und auch die Rolle der FDP im Wahlkampf vor vier Jahren wird mit keinem Wort thematisiert. Einen Anflug von Selbstkritik lässt Stéphanie Mörikofer einzig in Bezug auf ihr Beratungsdefizit zu: «Das war für mich kein Thema, und das war vielleicht auch ein Fehler. Ich wollte meine Arbeit so gut wie möglich machen und liess mich nicht darüber beraten, ob etwas gut oder schlecht ankommt und ob es mir für die Wiederwahl nützt oder schadet.»